Wer sich mit Andreu Maimó über seine Kunst unterhalten möchte, muss ihn nicht lange bitten. Voll sprühender Lebendigkeit führt er Besucher tief hinein in sein Reich, in dem jeder Zentimeter angefüllt ist vom Geist seiner überbordenen Kreativität. In den Schubladen der großen Grafikschränke lagern Zeichnungen und Drucke, eine über 100 Jahre alte Handdruckpresse im Erdgeschoss ist umgeben von Papieren, Stiften und Lithographiesteinen. In der Keramikwerkstatt sind in hohen Regalen seine Skulpturen aufgereiht und von der Decke baumeln Äste, Wurzeln und Kalebassen. Ganz oben im lichtdurchfluteten Atelier stapeln sich um seine Stafelei herum die Bilder aus dem Maimó-Universum. Sein Haus in Felanitx ist wahrhaftig bis in den letzten Winkel durchdrungen von einem Schaffen, das unaufhörlich neue Arbeiten gebiert. Der 73-Jährige lebt mit seiner Kunst unter einem Dach.
Die Schönheit runzliger Früchte
Wer zu ihm möchte, drückt einfach die Klingel an seiner Laden-Galerie. „Es ist immer geöffnet, ich wohne ja hier.“ Seine Hunde Fox und Pillo begleiten ihn quer durch das Haus auf Schritt und- Tritt, während er hier und da Arbeiten hervorzieht und über ihre Entstehung ins Plaudern gerät. Die Vorbilder für seine außergewöhnlichen Bilder und Skulpturen findet er in der Natur. „Es sind orga- nische Motive, die mir in meinem Garten und in der Landschaft der Umgebung begegnen.“ Andreu ist fasziniert von dem Verwandlungsprozess, der sämtlichen Lebewesen eigen ist. „Alles, was uns umgibt, verändert sich ständig. Wenn Früchte herunterfallen, durchlaufen sie eine Transformation. Die ergibt nicht nur Verfall, sondern neues Leben.“ Er sammelt sie auf und bewahrt sie im Atelier auf, um die Stadien ihrer Metamorphose zu studieren. „Ich beobachte die Naturmaterialien bis ich mich von ihren inspiriert fühle.“ Runzlige Birnen oder verrottete Orangen üben eine größere Faszination auf sein Künstlerauge aus als die Schönheit stra.er Schalen und makelloser Formen. Die Keramikfrüchte, die er nach diesem Vorbild gestaltet, haben tatsächlich nichts abstoßendes, sondern verlocken auch den Betrachter dazu, sich der ungewöhnlichen Gestalt anzunähern. „Ich fühle mich nicht als Schöpfer. Es ist die Natur, die alles kreiert, meine Kunst ist eine Vision davon.“ Ganz kollegial stellt er dann auch ein echtes Vogelnest, gefüllt mit Keramik-Eiern vor als „Gemeinschaftsarbeit mit den Vögeln in meinem Garten“.
Im Mittelpunkt der Feigenbaum
Sein liebstes Subjekt sind Feigenbäume. „Wenn sie im Winter kahl sind, sieht man in den Ästen und Zweigen geisterhafte Formen, Verästelungen wie ein Gehirn. Im Frühling scheint die Sonne durch die zarten, fast transparenten Blätter und erschließt ein Universum aus Licht.
Im Sommer, wenn die großen Blätter den Baum bedecken, kommt der Schatten dazu.“ Andreu Maimó sucht in der Normalität das Außergewöhnliche. Dazu braucht es Geduld und einen besonderen Blick auf die Umwelt. „Die Zeit zum Beobachten“, so bedauert er, „bringen die Menschen in unserer schnelllebigen Welt gar nicht mehr auf.“ Ein bisschen bringt er also mit seinen Bildern den Betrachtern wieder das Sehen bei.
Ein Pinselstrich wie Poesie
Andreu Maimó ist Autodidakt. „Die Arbeit ist meine Schule“, sagt er. „Es hat 50 Jahre gedauert, bis ich von meiner Kunst gut leben konnte.“ Früher hat er sich mit einer Zeichenschule für Kinder und Erwachsene über Wasser gehalten. Aber das Bedürfnis, anderen die Faszination und Schönheit von Kunst nahe zu bringen, hat kein bisschen nachgelassen. Derzeit baut er sein Dachgeschoss zu einem Veranstaltungssaal um, in dem es ab August Lesungen und kleine Konzerte geben soll. Wer seine Werke betrachtet, erkennt sofort den unverwechselbaren Stil des Künstlers aus Felanitx. Die Motive sind vielfach reduziert aufs Wesentliche. „Es ist möglich, dass ein Maler seit Jahren den gleichen Pinselstrich übt, bis er ihn zur Perfektion bringt“, erklärt Andreu die scheinbare Vereinfachung. „Das ist dann wie Poesie oder wie Destillieren – heraus kommt die Essenz, auf die es ankommt.
Werkstatt Can Vent
C/. de Santanyí 23, Felanitx.
Anrufen und Besuch verabreden: +34 608 59 19 69
Andreu Maimó spricht Deutsch. Nummerierte und signierte Drucke seiner Arbeiten gibt es schon ab 50 €.
Text: Christiane Sternberg.
Fotos: Marcos Gittis, Joan Servera, Gaizka Taro
Ersterscheinung des Textes in El Aviso 3/2020
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