Erst die Arbeit, dann die Kunst


Sie schreiten durch den Regen, sie posieren mit Cello oder Sombrero, sie räkeln sich im Wasser – und sie tragen Rot. Die Ladys in Red von Toni Rigo sind vielleicht nicht sein Markenzeichen als Maler, aber auf jeden Fall das erste, was den Passanten ins Auge fällt, wenn sie an dem Atelier in der Carrer d’En Sureda in Porto Cristo vorbei spazieren. Für die Frauenfiguren, die mal grazil, mal lasziv, aber immer mit ungeheurem Selbstbewusstsein seine Bilder zu einer Mischung aus Popart und Genremalerei machen, muss er nicht mit Modellen arbeiten. 

„Mir gefallen Frauen, ich mag ihre Haltungen und habe solche Szenen als Erinnerung in meinem Kopf gespeichert.“ Auch die meisten anderen Motive von Toni Rigo strotzen geradezu vor kräftigen Farben. Zurückhaltend und geradezu besonnen bilden die Gemälde von Juan Fullana Perello einen beruhigenden Gegensatz dazu. Seine feinen, akkuraten Striche machen seine Malereien zu wirklichkeitsnahen Abbildungen seiner Sujets. „Juan ist Perfektionist, das reflektiert sich in seinen Bildern. Ich dagegen gehe da viel lockerer heran.“

So unterschiedlich die beiden Freunde in ihrer Kunst und Arbeitsweise auch sind, die Leidenschaft zur Malerei eint sie. Seit zehn Jahren kommen sie regelmäßig in ihre „Malwerkstatt“, wie sie ihr Studio nennen. Mit höchster Konzentration und meist ohne viel zu reden sitzen sie einander an ihren Staffeleien gegenüber und kreieren ihre Kunstwerke. Dabei lassen sie sich ganz von ihren Stimmungen treiben, denn sie sind weder Kommerz noch Ruhm verpflichtet. Es ist ihre Passion, mit der sie sich im Ruhestand eine Aufgabe und ein Ziel gesetzt haben. Toni ist 74 Jahre, Juan 84 Jahre alt. Beide sind im gleichen barrio in Manacor aufgewachsen und kennen sich noch aus der Kinderzeit. Aber befreundet sind sie erst, seit sie sich vor zwölf Jahren in einem Malkurs begegneten. Ihr ganzes Leben war ausgefüllt mit Arbeit und für künstlerische Muße blieb keine Zeit. Juan war im elterlichen Schreinerbetrieb beschäftigt, einer Werkstatt mit 30 Angestellten. „Wir hatten viel Arbeit, wir waren fast die ersten Möbelexporteure Spaniens.“ Tonis Berufsleben hingegen war so bunt wie seine Bilder. „Ich hatte 1000 Berufe, war Tischler, Chauffeur, Mayordomo, habe im Supermarkt gearbeitet und selbst einen Laden gehabt. Ich bin Professor für alles und nichts.“ Das wiederum spiegelt sich jetzt in seiner Kunst wider. „Alles, was ich gemacht habe im Leben, hat mich geformt, die Farben kommen bei mir von innen heraus.“ Vor allem Rot- und Gelbtöne gehören zu seinen Favoriten, Menschen zu seinen bevorzugten Motiven. 

Juan setzt andere Prioritäten. „Ich male gern Landschaften, insbesondere alles, was mit dem Meer zu tun hat.“ Beide haben an Techniken vieles ausprobiert, von Graphite-Zeichnungen bis aktuell hin zu Ölgemälden. Toni ist schon wieder einen Schritt weiter, er trägt sich mit der Idee, demnächst die Bildhauerei auszuprobieren.

Wer durch das Atelier streift und die dicht an dicht hängenden Werke betrachtet, kann schon nach kurzer Zeit ganz genau die Stile der beiden Künstler auseinander halten. Juan malt Küstenlandschaften und Porto Cristo in den unterschiedlichsten Ansichten. Die Landmarks sind klar zu erkennen, die Boote, die Pinien, der Anleger „Es Martell“, der Strand, der Turm „SaTorre“. Die Auswahl und die natürliche Darstellung seiner Motive sowie die Verwendung sanfter Farbnuancen reflektieren in gewisser Weise seinen ruhigen Charakter. Toni hingegen lässt die Farben die Führung übernehmen, experimentiert mit Perspektiven und krassen Kombinationen.

Besucher können bei Toni und Juan live erleben, wie die Bilder auf der Staffelei Gestalt annehmen. Solche Prozesse sind im Zeitraffer in Social Media Streams der große Renner. In der analogen Wirklichkeit dauert es natürlich viel länger, aber es hat etwas Meditatives, dabei zuzuschauen, wie wir spätestens seit Bob Ross wissen. Wer ein Ölporträt in Auftrag geben möchte, ist hier übrigens auf der sicheren Seite. „Bei uns gibt es keinen Bezahlzwang“, erklärt Toni. „Wenn dem Auftraggeber das Bild gefällt, nimmt er es mit. Wenn nicht, lässt er es hier.“ 

Atelier „Que me pongo?“
Carrer d’En Sureda 9, Porto Cristo

Geöffnet ist die Atelier-Galerie eher sporadisch. Am sichersten sonntags während des Marktes in Porto Cristo und möglicherweise künftig mit etwas regelmäßigeren Öffnungszeiten von 10.30-12.30 Uhr und 16.30-18 Uhr.


Bilder von Toni Rigo über FB @toni.ariro

Juan Fullana und Toni Rigo öffnen gemeinsam ihr Atelier

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